Zwangsarbeit bei der Electroacustic G.m.b.H. (ELAC)

In der Mittelstraße 1 lebte 1936 der Bäckermeister Hermann Popp mit seinem Bruder Hans (ebenfalls Bäckermeister) und Frau. Offensichtlich hat Frau Popp mit der Gestapo gearbeitet und Leute denunziert, denn Frau Popp wird im Protokollbuch der Schutzpolizei Neumünster aufgeführt.

 

 

Die Popps beschäftigten Zwangsarbeiter. Am 25.11.1944 riefen die Popps bei der Schutzpolizei an, denn einem beim Bäckermeister beschäftigten "Zivilfranzosen" hatte offensichtlich jemand eine Armbanduhr abgenommen.

 


Am 17.1.1945 hat Frau Popp erneut "Rücksprache" mit der Schutzpolizei gehalten:

 


„Es wurde festgestellt, daß die bei L., Christianstr. 26, in Stellung befindliche Ostarbeiterin sich sehr viel in der Stadt umhertreibt und auch Filmvorführungen besucht. Die Ostarbeiterin ist am gleichen Tage von L. dem Arbeitsamt zur Verfügung gestellt worden und von dort nach der Elac weiter vermittelt.“

 


Bei "L." aus der Christianstraße 26 muss es sich um den Technischen Stadtdirektor Hans Lindemann gehandelt haben.


Bei "Elac" handelt es sich um die Electroacustic G.m.b.H. Die ELAC war der zweitgrößte Rüstungsbetrieb in Neumünster. Sie stellte feinmechanisches Kriegsgerät, Zündeinrichtungen und Nachrichtengerät her. Die Firma mit Sitz in Kiel hatte 4139 Beschäftigte und Zweigwerke in Neumünster, Reval, Namslau und Marienwerder.

 

 

In Neumünster befanden sich diverse ZwangsarbeiterInnenlager und die ELAC mit dem Standort Goethestraße beschäftigte 1944 sage und schreibe 939 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Auf dem Betriebsgelände hatte die Firma kein Lager, die Fremdarbeiter wurden auf mehrere Standorte in Neumünster verteilt. Im Dezember 1942 hatte man eine Aufstellung über die Herkunft der Kriegsgefangenen bei ELAC durchgeführt. So gab es 62 Gefangene aus Russland, die im Lager Wittorf untergebracht waren, 66 Belgier (im Lager am Teich 16 - Möbelhaus Becker), 172 Franzosen (die in Betriebslagern untergebracht waren) sowie 5 polnische Legionäre und 12 Serben (Am Teich 16). Die Angaben bei den Rüstungsbetrieben waren aber unvollständig (siehe dazu MA 4989 im Stadtarchiv Neumünster). Weitere Lager betrieb die Firma in der Tonhalle (ca. 70 Mann, Franzosen, Belgier, später auch Holländer) und in der Bäckerei Stühmer (ca. 6 Holländer), Joachimstraße 8, sowie in der alten Kösterschen Lederfabrik in der Ringstraße (ca. 60 Vertragsarbeiter aus dem Osten). Die Kriegsgefangenen im Lager Wittorf (Russen) wurden Opfer des Luftangriffs auf Neumünster am 06.11.1944. Es gab dabei ca. 14 Tote unter ihnen. 1949 hat ein ehemaliger Mitarbeiter von ELAC die Belegungsstärke des Kriegsgefangenen-Lagers im Haus Hugo Becker (Am Teich 16/Fabrikstraße 27) mit ca. 180 Franzosen, 35 Belgiern und 15 Serben angegeben. Beim Luftangriff vom 07.04.1944 kamen zwei Franzosen ums Leben.

 

 

Auf der Website der ELAC sucht man vergeblich nach einer Historie der Firma bzw. Informationen zur Zwangsarbeit in der NS-Zeit.

 

 

Quellen:
- Sebastian Lehmann: Anzeige wurde gefertigt. Das Protokollbuch der Schutzpolizei Neumünster, Abteilung Ausländerüberwachung
- Exkurs Kieler Rüstungsindustrie im Nationalsozialismus: http://www.gegenwind.info/stadtrundfahrt/zwangsarbeit.html; zuletzt abgerufen am 06.08.2019
- Stadtarchiv Neumünster, MA 4989, MA 4990