Ernst Biberstein

Biberstein war evangelischer Pastor, bereits 1926 Mitglied der NSDAP und „zugezogener“ Neumünsteraner, wo er 1917 das Abitur ablegte.


Sein Vater Ernst Szymanowski (Schützenstraße 22) steht bei der am 12. März 1933 stattfindenden Stadtvertreterwahl auf Platz 1. Er wird dort als Reichsbahn-Güteroberinspektor geführt. Szymanowski wird gewählt und mit der Führung der Stadtverordnetenversammlung betraut. Er arbeitet im Bauausschuss, Krankenhausausschuss, Ausschuss f. d. Genehmigung von Grundstücksverkäufen, Sparkassenvorstand und Werksausschuss mit.


Im Oktober 1933 amtierte sein Sohn Ernst für einige Wochen als kommissarischer Propst von Neumünster. Am 1. November wird Szymanowski nach Altona versetzt. Von November 1933 bis August 1935 war er Kirchenpropst von Segeberg.


Ab 1935 machte er Parteikarriere. Er wurde Oberregierungsrat im Reichskirchenministerium und trat 1936 als SS-Untersturmführer in die SS ein. Es folgten Beförderungen zum SS-Obersturmführer, SS-Hauptsturmführer und 1939 zum SS-Sturmbannführer. 1938 trat Szymanowski aus der Kirche aus.


1942 wurde Szymanowski, der sich inzwischen in Biberstein umbenannt hatte, Chef des Einsatzkommando 6 Rostow/Ukraine. Bis 1943 befehligte er dort die Ermordung von 2000 bis 3000 Menschen, überwiegend Juden. Diese Zahl gab er selbst in einer eidesstattlichen Erklärung für den amerikanischen Militärgerichtshof im Rahmen der Nürnberger Prozesse an. In derselben Erklärung beschrieb er völlig emotionslos, wie er persönlich die Tötung von 50 bis 60 Menschen in einem Gaswagen beobachtet hatte.


In den Nürnberger Prozessen erfolgt 1948 das Todesurteil wg. 65fachen Mordbefehls, 1951 wird B. zu lebenslanger Haft begnadigt, 1958 nach kirchlicher Fürsprache durch Propst Steffen entlassen. Nach seiner Freilassung arbeitete er vorübergehend in der Kirchenverwaltung in Neumünster, bis er dort entlassen wurde.


Biberstein starb am 8. Dezember 1986 in einem Altenheim ("Haus Berlin") in Neumünster. Er liegt auf dem Nordfriedhof, Wahlgrab NO I 293, begraben.


Am 8. Januar 2013 fand eine Veranstaltung zu Biberstein im der Andreaskirche zu Tungendorf statt. Es waren ca. 25 TeilnehmerInnen anwesend, Kennzeichen aus vielen Landkreisen, obwohl die Besucher wohl zumeist der Andreasgemeinde angehörten.


Das Ziel der Veranstaltung war es, eine Aufarbeitung des Verhaltens der Protestantischen Kirche in der NS-Zeit fortzusetzen bzw. zu unterstützen und über Schuld, Sühne und Vergebung zu diskutieren. Der ehemalige Propst Jürgensen führte eloquent durch das Thema. Es gab aber auch einige Kritikpunkte an der Veranstaltung.


Das Hauptthema sollte der Kaltenkirchener Pastor und spätere Kriegsverbrecher Ernst Szymanowski sein. Hauptsächlich sprach Herr Jürgensen aber über den ehemaligen Neumünsteraner Propst und SS-Kameraden Richard Steffen. Dank einer Beschäftigungsverpflichtung durch die Kirche und einer Bürgschaft von Propst Steffen wurde Biberstein 1958 entlassen und vorübergehend in der Neumünsteraner Kirchenverwaltung beschäftigt (ein halbes Jahr). Der ehemalige Propst Jürgensen ist in seiner Stellungnahme auf das "Warum" der Wiederaufnahme (des als "Weichei" bekannten) Bibersteins in den Kirchendienst nur ausweichend eingegangen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Initiative von der Kirche ausging. Nichtsdestotrotz hätte die Fahrt Steffens zum Kriegsverbrechergefängnis nach Landsberg nie stattfinden dürfen. (Den Bericht, den Steffen davon im Zug angefertigt hat, ist sicher im Kirchenarchiv einzusehen.)
Es fanden sich einige Fürsprecher für den Propst Steffen, der Biberstein 1956 Glaubwürdigkeit attestierte und die Urteilsfähigkeit des Nürnberger Gerichtshofes bezweifelte. Auch die anwesende stellvertretende Kreisvorsitzende der SPD Neumünster mochte am liebsten nicht an die Schuld glauben, die Steffen auf sich geladen hatte, da sie ihn in ihrer Jugend noch persönlich und als charakterlich einwandfrei kennengelernt hatte. Erst gegen Ende des Vortrags berichtete Herr Jürgensen von Steffens Schuldeingeständnis im Jahre 1963.


Verschleiernd, vage und unvollständig - so ist der Vortrag Jürgensens im Nachhinein zu bewerten. Es fielen die Aussagen, Steffen habe in seinen "vergessenen 12 Jahren" nie einem Gemeindemitglied Leid zugefügt und "SS-Mann Anfang der 30er Jahre gewesen zu sein, wäre doch weitaus was anderes als in den späten Kriegsjahren".


Auch hätte es wesentlich mehr Worte bedurft, um die Greueltaten von Biberstein zu schildern, und seelsorgerische Worte für seine Opfer.


Mehr im Internet zum Fallbeispiel Szymanowski alias Biberstein unter:


Pastoren unterm Hakenkreuz:
http://www.ppr-hamburg.com/site/index/die-referenzen/reportagen/pastoren-unterm-hakenkreuz.php (nicht mehr aktiv)

 

Stephan Linck: Ernst Szymanowski alias Biberstein. Ein Theologe auf Abwegen. In: Klaus-Michael Mallmann, Gerhard Paul (Hrsg.): Karrieren der Gewalt. Nationalsozialistische Täterbiographien. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-16654-X.


Gerhard Hoch: Ernst Szymanowski-Biberstein. Die Spuren eines Kaltenkirchener Pastors. Wachholtz Verlag, Neumünster 2009, ISBN 978-3-529-05881-3.


Jüdisches Leben in Segeberg vom 18. bis 20. Jahrhundert: gesammelte Aufsätze ...:
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