Helena Garbicz

Helena Garbicz wurde am 05.11.1906 in Goslawice (Łódź) in Polen geboren. Im März 1943 wurde sie durch deutsche Polizeianordnung zur Zwangsarbeit in Neumünster verpflichtet. In ihrer Akte des Arolsen-Archivs heißt es, sie wäre „opponent to actual regime in home country“ gewesen, d.h. eine Gegnerin des bestehenden Regimes im von Deutschland besetzten Polen.

 


Von März 1943 bis Okt. 1943 musste sie laut Akte Gartenarbeit beim Betrieb "Rathgens" verrichten. Hier könnte es sich um den Betrieb von Bernhard Rathjen in der Plöner Straße 76 gehandelt haben. Im Anschluss daran von Okt. 1943 bis Sep. 1944 arbeitete sie in einer "Munitionsfabrik" in Neumünster. 1943 gab es nur die eine Munitionsfabrik von Sörensen und Köster (später: Vereinigte Aluminiumwerke) in der Hauptstraße 43/44 (Brachenfeld). Sie verdiente dort gerade einmal 80 Reichsmark im Monat. Sörensen & Köster stellten im dortigen Werk Leuchtpatronen für die Wehrmacht her.

 


In dieser Zeit brachte sie ein Kind, Andrzej, zur Welt (18.11.1943).
Anzunehmen ist, dass sie dann aufgrund der schweren Arbeit und wegen ihres Kindes von der Arbeit im Munitionswerk entbunden wurde. Bis Ende des Krieges von Sep. 1944 bis Mai 1945 wurde sie als Krankenschwester im Polenlager in der Wittorfer Straße 136 eingesetzt. Im Polenlager haben laut Auskunft des mutmaßlichen Lagerführers Otto Reinholz insgesamt etwa 300 Personen gelebt.

 

 

Über das Polenlager ist in den Polizeiberichten über Lager- und Straßenkontrollen aus dem Jahr 1944/1945 einiges zu erfahren: So waren die hygienischen Zustände alles andere als ausreichend. Am 12.01.1945 heißt es:

 

 

"Fa. Drewes Söhne, Kleinflecken 36, führt Beschwerde über den dort beschäftigten Polen L. Dieser bummelt vielfach im Betrieb und schläft bei der Arbeit ein. Die Fa. gab an, daß L. während der Abend- und Nachtzeit Papiertaschen anfertige, diese verkaufe und dadurch zusätzlich sich Geld verdiene. Hierdurch sei L. tagsüber müde und nicht in der Lage, voll im Betrieb zu arbeiten. L. gab die Anschuldigungen zu, erklärt aber, daß er im Lager wegen Ungeziefer nicht schlafen könne. Wie festgestellt, sind im Polenlager wiederholt Wanzen festgestellt worden, so daß hierdurch die Insassen des Lagers in ihrer Nachtruhe gestört werden. Der Pole L. wurde verwarnt und ihm klar gemacht, daß er im Wiederholungsfalle der Gehstapo (sic!) wegen Sabotage gemeldet würde."

 

 

Am 6.12.1945 bringt Helena dann ihre Tochter Halina zur Welt. Nach dem Ende des Kriegs kommen Helena und ihre Kinder in das DP-Lager in der Wrangel-Kaserne, Baronstrasse und Alte Kieler Landstrasse, Rendsburg. Das war eine Einrichtung zur vorübergehenden Unterbringung sogenannter Displaced Persons, zu denen eben auch Helena und ihre Kinder gehörten. Helenas weiterer Lebensweg in Deutschland ist bis 1951 dokumentiert. Von Juli 1947 bis Januar 1948 arbeitet sie bei der Firma Lesser in Rendsburg, die dann in die Insolvenz geht. Bis September 1949 kann Helena nicht arbeiten, dann wird sie nach Pinneberg überstellt, wo sie aber nur kurz bis April 1950 in einem Kindergarten angestellt ist. Helena lebt jetzt mit ihren Kindern in der Eggerstedt-Kaserne, an dem Ort befindet sich heute ein Neubaugebiet. Am 11. April erhält Helena die offizielle Urkunde des IRO Resettlement Offices, die sie zum rechtlichen und politischen Schutz, einschließlich Rückführung und Neuansiedlung berechtigte. Die durch die USA protegierte International Refugee Organisation (IRO) vermittelte DPs aus Staaten unter ehemaliger Kontrolle NS-Deutschlands, die sich in der Einflusszone der Sowjetunion befanden, zunächst an westeuropäische und dann an überseeische Staaten als Arbeitskräfte. Hierfür mussten sich die Flüchtlinge teils verpflichten, rund zwei Jahre schwere Arbeit in Infrastrukturprojekten zu leisten.

 

 

Quellen:
-Sebastian Lehmann: Anzeige wurde gefertigt. Das Protokollbuch der Schutzpolizei Neumünster, Abteilung Ausländerüberwachung
-https://digitalcollections.its-arolsen.org/03020101/name/pageview/1981224/2026918
-https://www.shz.de/8115541
-http://gartentexte-digital.ub.tu-berlin.de/gaertnerbiographien/gaertnerbiographien.pdf

(alle Webseiten zuletzt abgerufen am 26.05.2019)