Karl Keding

In Neumünster Faldera in Nachbarschaft zur Heinrich-Förster-Kolonie befindet sich der Pastor-Keding-Weg. Bei diesem Pastor Keding handelt es sich um Karl Heinrich Ernst Keding, der am 22. Juni 1897 geboren wurde und am 18. Februar 1978 starb.

 


Laut einer Schrift mit dem Titel „Das Siedlungswesen in der Stadt Neumünster“ von Herbert Möller, die im Jahr 2002 erschien, war Karl Keding der erste Pastor einer neu gegründeten Kirchengemeinde, die ihr Domizil in einer ehemaligen Reichsarbeitsdienst-Baracke an der Ecke Ehndorfer Straße und Augustenburger Straße fand, dem sogenannten “Wichernhaus”. Als Pfarrer der Ev. Wicherngemeinde Neumünster wirkte er von 1947 bis 1951.

 

In der Siedlergemeinschaft Wichernbund werden im Internetauftritt die Verdienste Karl Kedings gewürdigt. So habe er den Anstoß zum Bau der Wichernsiedlung gegeben. Und in der Tat erhielt Keding von der Evangelischen Kirche den Auftrag für die Errichtung einer Hilfsgeistlichen Stelle in Neumünster. So ist weiterhin zu erfahren, dass Pastor Keding die ersten Jahre des Baufortschrittes der von ihm initiierten Siedlung noch in Neumünster verfolgen konnte. 1951 sei er aus persönlichen Gründen zu einer Wohnsitzverlegung in den südlichen Teil Deutschlands gezwungen gewesen. Keding wird am 1. April 1951 Pfarrer der Pfarrei Kubach, Dekanat Weilburg, in Hessen. 1955 beendet er diese Tätigkeit mit einer Beurlaubung und erteilt fortan Religionsunterricht am Gymnasium Weilburg. Diesen Dienst versieht er 5 Jahre, bis er 1960 auf eigenen Antrag in den Ruhestand versetzt wird.

 


Der Verband Wohneigentum Siedlerbund Schleswig-Holstein e.V., quasi eine Interessenvertretung für die Siedler und Siedlerinnen nach dem zweiten Weltkrieg, schreibt in seiner Internetpräsenz, dass die dankbaren Siedler in Neumünster rund um die Ehndorfer Siedlung 1955 offensichtlich den Versuch gestartet hatten, den Platz vor der im gleichen Jahr eingeweihten Wichernkirche in „Karl-Keding-Platz” benennen zu lassen. Das Anliegen scheiterte aber, und so heißt der Platz heute „Uker Platz”. Warum das Anliegen scheiterte, wird nicht angegeben.

 

In der Chronik der Wicherngemeinde schreibt Dietmar Volkmer, dass Pastor Karl Keding im September 1945 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrt. Nur 11 Tage nach seiner Entlassung aus dem Internierungslager wird Keding am 21. September 1945 „die Hilfspredigerstelle des Pfarrbezirks VIII in Neumünster auf dem „Exer“ als Wirkungsfeld zugewiesen“.

 



Keding war tatsächlich laut „Evangelisches Pfarrerbuch für die Mark Brandenburg“ (1941) Heerespfarrer in Döberitz seit 1935 und seit 1936 in Frankfurt a. d. Oder. Das heißt, er war Angehöriger der Wehrmacht und Beamter des NS-Regimes. In den Personalakten des Bundesarchivs Berlin wird Kedings Dienstgrad mit „Major d. Reserve“ angegeben. Laut Zentralarchiv der Evangelischen Kirche in Hessen/Nassau war Keding vom 1. Dezember 1937 bis 15. Januar 1938 auf Evangelisationsreise zur deutschen Legion in Spanien.

 


Wir haben versucht zu ergründen, welchen Dienst Pastor Keding während des Kriegs ausgeübt hat und was ihn erwogen hat, Heerespfarrer zu werden und bei der Legion Condor mitzuwirken. Eine NSDAP-Kartei von Pastor Karl Keding ist nicht vorhanden. Da nach aktuellen Schätzungen nur etwa 80 Prozent der tatsächlichen NSDAP-Mitglieder in den heute erhaltenen Karteien enthalten sind, kann seine Mitgliedschaft damit allerdings nicht ausgeschlossen werden.

 


Pfarrer Karl Keding erhält 1940 vom spanischen General Franco für seinen Dienst als Feldprediger der Legion Condor das »Spanienkreuz«.

 


In der sogenannten FAKTENLISTE DER DURCH SPANIEN GESCHÜTZTEN NAZIS von Eliah Meyer kann man den folgenden Eintrag nachlesen:

 

    KEDING, Karl. Clergyman. Berlin-Oberschoenweide, Frischensstrasse 7. Decorated by FRANCO with the Medalla de la Orden Imperial del Yugo y las Flechas.

 


Laut Faktenliste steht der Eintrag im Gesetz- und Amtsblatt des spanischen Staates vom 30. September 1941.



Hubert Brieden vom Arbeitskreis Regionalgeschichte aus Neustadt am Rübenberge hat sich intensiv mit der Geschichte der Legion Condor beschäftigt. Ich habe ihn Mitte Oktober 2018 interviewt.

 


Der deutsche evangelische Theologe und Historiker Dietrich Kuessner beschäftigt sich intensiv mit verschiedenen Aspekten der Geschichte der Stadt Braunschweig und des Landes Braunschweig unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig vor, während und nach der Zeit des Nationalsozialismus. Kuessner gilt als Pionier der Aufarbeitung dieses Aspekts und als profunder Kenner der Materie. Am 6. Oktober 1994 hielt er einen Vortrag in Braunschweig zum Thema „Gott strafe England – die evangelische Kirche und der Bombenkrieg“, den er auch unter dem Motto „Kirche von unten“ online stellte.


Kuessner trug in seinem Referat Folgendes vor:

    „Der bei der Legion Condor mit eingesetzte Pfarrer Karl Keding schrieb das “Kriegstagebuch eines evangelischen Legionspfarrers”, das 1939 bereits im 30.Tausend erschienen war und in zahlreichen Gemeindeblättern abgedruckt worden war, so auch im Braunschweiger Volksblatt am 16. Juli 1939. Er verband Kriegsberichterstattung, etwa die Bombardierung eines spanischen Flugplatzes, mit der nötigen Sinngebung.“

    Der Militärpfarrer beobachtet den Piloten: “Die Backenmuskeln traten stark hervor, die Augen gewannen einen metallischen Glanz, der ganze Mann ein Urbild gesammelter Kraft.” Als ein deutsches Flugzeug vor ihm abgeschossen wurde, notiert er: “Fünf deutsche Männer sind nicht mehr unter den Lebenden, haben ihr junges Leben hingegeben für Spaniens Zukunft. Fieberhaft jagen sich die Gedanken: nur Spanien?…Deutsche Waffenehre… Deutscher Einsatz gegen den Weltfeind, also Tod für Deutschland, Heimat, Glaube, Zukunft.” Bei der Kasernenstunde am Abend desselben Tages variiert Keding Gorch Fock: “Fall ich, so fall ich doch immer wieder nur in die offene Hand meines göttlichen Vaters…. Ich hatte Acht darauf, daß wir nicht ins Sentimentale abglitten oder in Trauer steckenblieben. So schloß ich mit der Parole: über Gräber vorwärts”.



Ich habe noch einen kurzen Streifzug durch die Quellenliteratur unternommen und folgende Entdeckungen machen können:

 


Im Evangelischen Kirchenboten der Pfalz, der von der Bibliothek und Medienzentrale der Evangelischen Kirche der Pfalz in Speyer veröffentlicht wird, steht in der Ausgabe vom Juli 2012 das Werk Kedings. Der Diplom-Bibliothekar Robert Zobotke hatte an einer Erschließung des Evangelischen Kirchenboten aus der Zeit von 1933 bis 1941 gearbeitet.

 


Im Buch „Bibel Kirche Militär: Christentum und Soldatsein im Wandel der Zeit“ zitiert Dieter E. Kilian, dessen Bücher im Übrigen bei äußerst anrüchigen und stramm rechten Organisationen wie der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft beworben werden, Keding. Er, Keding, schreibt über die Luftwaffensoldaten:

    An Pflicht und Treue im Einsatz für Fahneneid, Vaterland und Führer dachten sie und wurden froh, im weltgeschichtlichen Kampf auf der rechten Seite zu stehen, nicht als Rebellen und Landsknechte, sondern als Streiter in vorderster Front des heiligen Krieges gegen die, die von Gott und Gottesliebe, von Christus-Krippe und Kreuz nichts wissen wollen.

 


Im „Guide to the World War II German Prisoners of War Collection“, die in der Musselman Library des Gettysburg College im US-amerikanischen Pennsylvania archiviert ist, wird das 33-seitige Heftchen „Vater, ich rufe Dich!“ von Karl Keding zitiert. Übersetzt heißt es dort, dass Keding hierin die Art und Bedeutung des Gebets für deutsche Soldaten erörtert. Das Büchlein enthält auch ein Gebet von Theodor Körner. Es beginnt so:

    “Führ mich zum Siege, führ mich zum Tode.”

 

Am 4. August 1986 erschien ein Spiegel-Artikel unter dem Namen „Sie werden gewinnen, aber nicht siegen“ über die Kriegsverbrechen in Guernica. Dort ist zu lesen:

    Hitler sorgte sich auch um die Seelen seiner Krieger. Der Sonderstab W in Berlin schickte jeweils zu Weihnachten Geistliche zur Legion. Pfarrer Karl Keding besuchte die Bomber 1937 und pries seine uniformierten Schäflein mit heiligem Stolz:

Keding war eine demagogische Figur, der mit seinen Auftritten als Geistlicher vor den Soldaten eine frontnahe Kampfbereitschaft verherrlichte, einen Kameradschaftsmythos beschwor, der von gegenseitiger Fürsorge und Selbstlosigkeit geprägt sein sollte, und sicher bei einigen Soldaten erreichte, dass sie ihre Angstbilder zu einem fanatischen Feindbild steigerten.

 

 

Quellen:

Über Legion Condor


- Buch von Hubert Brieden und Tim Rademacher: Luftwaffe, Judenvernichtung, totaler Krieg: Guernica, Łomża, Warschau, Coventry … ; deutsche Geschichtspolitik, Tradit
ionspflege in der Garnisonsstadt Wunstorf, “vergessene” Geschichte in Hannover-Langenhagen

Über Pastoren und Pfarrer im Nationalsozialismus

- Hans Prolingheuer, ‎Thomas Breuer – 2005. Dem Führer gehorsam: Christen an die Front: die Verstrickung der beiden Kirchen in den NS-Staat und den Zweiten Weltkrieg ; Studie und Dokumentation

 

Über Karl Keding

- Freies Radio Neumünster. Pastor Karl Keding im Nationalsozialismus: freiesradio-nms.de/2018/pastor-karl-keding-im-nationalsozialismus/

- Freies Radio Neumünster. Fortsetzung der Recherche zum Pastor-Keding-Weg: freiesradio-nms.de/2018/fortsetzung-der-recherche-zum-pastor-keding-weg/

- Freies Radio Neumünster. Stand der Kommission zur Umbenennung von Straßen in Neumünster: freiesradio-nms.de/2019/stand-der-kommission-zur-umbenennung-von-strassen-in-neumuenster/

- Akte der Reichskulturkammer über Karl Keding, BArch, R 9361-V