Mittelstraße 10-14

In der Mittelstraße 10-14 war die Genossenschaftsmeierei eGmuH (Eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht) mit Wilhelm Staben als Meierist ansässig.

 

 

Am 05.12.1944 forderte der Betriebsleiter Willy Schmidt der Meierei "fernmündlich" (heute würde man sagen "telefonisch") die Hilfe der Schutzpolizei Neumünster, Abteilung Ausländerüberwachung, an, um die in der Meierei beschäftigten Zwangsarbeiter zu denunzieren. Es hieß, "die in der Gen. Meierei beschäftigten Polen und Ostarbeiter lassen in der letzten Zeit sehr in der Arbeitsleistung nach".

 

 

Auf Nachfrage wurde gesagt, dass ein Ostarbeiter die Arbeit verweigere und seine Arbeitskameraden angriff. Der "einen sehr verstörten Eindruck" machende Ostarbeiter wurde daraufhin von der Schutzpolizei zum Polizeirevier und dann zu einem Arzt gebracht. Im Bericht heißt es weiter, dass der Ostarbeiter "noch am gleichen Tag zwecks weiterer Beobachtung der Irrenanstalt in Schleswig zugeführt" wurde. Was das hieß, macht die Arbeit von Claudia Trüter deutlich:

 

Neben der Rückverschickung von psychisch erkrankten Ostarbeitern wurde ein Teil von ihnen in der Landesheilanstalt medizinisch betreut, bevor mit den Erlassen von 1944 der Abtransport in andere (vermutlich Tötungs-)Anstalten erfolgte.

 

Auch in der Promotion von Julia Nadjenka Born wird dieser Aspekt ersichtlich:

 

Behandlungen der Erkrankungen waren nur insoweit vorgesehen, wie die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt werden konnte. Konnte diese nicht erreicht werden, wurden die Zwangsarbeiter wie die dorthin transportierten Deutschen nach kurzer Zeit ermordet.

 

 

Am 03.03.1945 gab es ein weiteres Vorkommnis. Gegen 17.45 Uhr wurde der Litauer Jefim B., geb. 08.05.13 in Riga, der in der Genossenschafts-Meierei beschäftigt war, mit einem Schwarzbrot und einer grösseren Menge (ca. 3 Pfund) Quarkkäse in seiner Aktentasche angetroffen. Auf Befragen gab er an, das Brot von dem Deutschen Hermann S., beschäftigt als Kraftfahrer in der Gen. Meierei, erhalten zu haben. Den Quark will er von einem Polen, der in der Meierei Bornhöved beschäftigt war, erhalten haben. Beides wurde sichergestellt und mit Bericht der Gestapo zugeleitet.

 

 

Der wohl sehr anzeigefreudige Betriebsleiter Schmidt meldete dann am 10.03.1945 einen Butterdiebstahl: Er hatte festgestellt, dass die fehlende Butter, 1 Kiste mit 22 Dosen je 1 kg in der Zeit vom 08.03.45 bis 10.03.45 in einem unverschlossenen Raum gestohlen wurde.

 

 

Quellen:

- Claudia Trüter: "Zwangsarbeitende in der Psychiatrie" - Die Landesheilanstalt Schleswig-Stadtfeld 1940 - 1945 (S.273-299)
- Sebastian Lehmann: Anzeige wurde gefertigt. Das Protokollbuch der Schutzpolizei Neumünster, Abteilung Ausländerüberwachung